Wie weit darf eine Liebe gehen? Wieviel Leiden soll eine Liebende auf sich nehmen, um ihre Liebe zu retten, die in Wirklichkeit noch nicht begonnen hat?
Die in der Region Düsseldorf lebende Journalistin und Autorin Marita Sonnenberg protokolliert minutiös den dramatischen Verlauf einer Internetbekanntschaft, das die Lesenden beinahe unweigerlich mitten ins Geschehen hineinzieht und sie voyeuristisch miterleben lässt. Ein ungewöhnliches und auch mutiges Format für ein Debüt, das sich gängigen Formaten verweigert.
‘Ein trügerischer Sommer‘ ist das Protokoll einer Internetbekanntschaft, die zweckgerichtet ist. Letztendlich missbräuchlich. Die Intensität des Austauschs von Nachrichten, von Gefühlen bekommt eine Eigendynamik, die jenseits des Alltags und der Realitäten stattfindet. Es entsteht eine Parallelwelt, ohne soziale Einbindung oder strukturelle Integration in das Leben des jeweils anderen. Es bindet in einem hohen Maße, macht süchtig, fordert mehr und ist doch absolut unverbindlich. Ein Rückzug scheint immer und zu jedem Zeitpunkt möglich. Zumindest für Viktor.
Es wird zu einem grausamen Spiel bei größtmöglicher Isolation. Es entsteht eine Vertrautheit, die gegenüber dem engen sozialen Umfeld, Freunden und Familie verheimlicht wird.
Florentina und Viktor lernen sich über eine Zeitungsannonce kennen.
Viktor, ein erfolgreicher Unternehmer aus Wien sucht darin eine Frau, für die Seelenverwandtschaft kein Fremdwort ist und die frei für eine stimmige Liebe ist. So seine Profilanfrage. Florentina, Kreativdirektorin in München, bereit, sich auf eine solche Partnerschaft einzulassen, weist in ihrer Antwort darauf hin, dass sie zunächst kein Foto beilege, dies aber nach einer intensiveren Kommunikation gerne nachholen werde.
Beide werden nie ein Bild des anderen erhalten.
Zunächst kommunizieren sie vorsichtig und zurückhaltend per SMS. Darauf folgen einige, wenn auch regelmäßige Telefonate, bevor Viktor auf Bitten Florentinas einen E-Mail-Account einrichtet.
Um möglichst schnell sehr viel über den anderen zu erfahren, schlägt Viktor ein Fragen-Antwort-Spiel vor, das schon sehr bald mit seiner enormen Sogkraft grenzüberschreitend auf Florentina wirkt. Die Emotionen überschlagen sich. Florentina und Viktor sind wie Getriebene in einem Rausch von Gefühlen. Viktor bestimmt die Regeln. Florentina lässt sich ein, obwohl ihre Skepsis wächst.
Ein geplantes Treffen wird von Viktor immer wieder abgesagt und hinausgezögert. Bis zu dem Moment, in dem er Florentina mitteilt, dass er sich aufgrund einer psychischen Instabilität in einer Klinik behandeln lassen müsse. Der Kontakt bleibt bestehen. Wird jedoch immer wieder zu einer Gratwanderung und einer verdichteten Dynamik, die beide überrollt.
Beide treiben ein gefährliches Spiel. Viktor eines in seiner unfassbaren Fragilität. Florentina eines, das die Grenzen zwischen Realität und Utopie verwischt.
Das Fragen-Antwort-Spiel wird zu einem Seelen-Striptease. Florentina findet Gefallen an diesen Häutungen, denen sie sich ohne Beschränkungen hingibt. Je größer Viktors Zuspruch, umso ekstatischer ihre Fragen und umso umfassender und detaillierter ihre Antworten. Es wird ein bis zur Unkenntlichkeit verkommender Vertrauensmissbrauch.
„Dieses Format war notwendig, um die Nähe zu den Protagonisten herzustellen. Es gab dazu keine Alternative.“ (Marita Sonnenberg)
Premieren-Lesung: Donnerstag, 30.11.2023, 19:00 h
THEATERLABOR TRAUMGESICHT e.V., Georg-Glock-Str. 15, 40747 Düsseldorf
Hardcover, 168 Seiten, 2023 Sparkys Edition, ISBN 978-3-949768-19-4, € (D) 17,90
Zur Autorin
Marita Sonnenberg lebt als Journalistin und Autorin in der Nähe von Düsseldorf. Als Chefredakteurin war sie für zahlreiche internationale Trend- und Lifestyle-Magazine sowie hochwertige Buchausgaben verantwortlich. Als PR- und Marketing-Expertin arbeitete sie mit namhaften Kreativ-Direktoren und Fotografen zusammen. Ihre Leidenschaft blieben dennoch immer das Schreiben und die Literatur. Mit ein ‘Ein trügerischer Sommer‘ erscheint ihr erstes Buch im Verlag Sparkys Edition.
Wir haben Marita Sonnenberg zum Interview getroffen:
N.N. ‘Ein trügerischer Sommer‘ ist das Protokoll einer Internetbekanntschaft, die Sie chronologisch und minutiös dokumentieren. Ein ungewöhnliches und auch mutiges Format für ein Debüt, das sich gängigen Formaten verweigert.
Marita Sonnenberg. Dieses Format war notwendig, um die Nähe zu den Protagonisten herzustellen. Es gab dazu keine Alternative. Die Reaktion der Verlage war denn auch entsprechend zurückhaltend. Umso glücklicher bin ich, mit Sparkys Edition einen Verlag gefunden zu haben, der sich entschlossen hat, dieses Experiment zu wagen, zu unterstützen und mir dabei alle Freiheiten gewährt hat.
N.N. Der erste Kontakt der Figuren erfolgt über eine Zeitungsannonce in einer renommierten deutschen Wochenzeitung. Dann wechselt das Medium von SMS und Telefon zu E-Mails und damit in einen virtuellen Raum, der eine eigene Sogkraft entwickelt.
M.S. Absolut. Die Kommunikation zwischen Florentina und Viktor gewinnt an Intensität. Das anfängliche vorsichtige Herantasten verliert sich in einer von beiden Seiten fordernden Dynamik und Geschwindigkeit im Minutentakt.
N.N. Im Mittelpunkt Ihres Buches steht ein gegenseitig wechselndes Fragen- und Antwort-Spiel, wie Viktor es nennt. Wie kam es zu dieser Idee, diesem Stilmittel?
M.S. Jede Frage und jede Antwort beinhaltet eine Beschreibung des jeweils anderen. Über dieses Tool erfahren die LeserInnen wesentliche Charakterzüge der Hauptfiguren. Vor allem in den Fragen steckt ein hohes Maß an Projektion, eigener Identität und neugieriger Absicht. Die ausgetauschten Informationen werden zu einer Gemengelage, die sowohl Florentina als auch Viktor in ihrem Ausmaß und ihrer Reflexion erschreckt und teilweise bestürzt. Ich wollte hier die Möglichkeit schaffen, dies in Echtzeit und hautnah verfolgen zu können.
N.N. Diese Begegnung findet in einer Parallelwelt statt, wie Sie in Ihrem Buch schreiben. Warum diese Isolation?
M.S. Aus Scham. Aus Diskretion, die Viktor an einer Stelle sogar einfordert. Dieses Spiel, das leicht und unverfänglich beginnt, wird zu einer Verpflichtung, der beide unterliegen, teilweise grenzüberschreitend und getrieben. Dem Florentina sich schutzlos hingibt. Ahnend, welch fatale Auswirkungen dies für sie haben kann. Es beschmutzt und rüttelt an ihrem Selbstwertgefühl. Während Viktor doch distanzierter reagiert und sogar eine Projektion Florentinas sieht, die ihm nicht guttue. Sein Kontrollverhalten und seine Distanz überwiegen. Denn, auch seine reale Welt ist eine andere.
N.N. Wie Sie betonen, ist dies eine fiktive Geschichte. Wie nah ist sie dennoch an der Realität?
M.S. Sehr nah. Es ist ein brennend aktuelles Thema. Der virtuelle Raum, speziell Social- Media-Plattformen, gaukeln eine Anonymität vor, die scheinbar ungeahnten Freiraum und auch Freizügigkeit bietet. Letztendlich aber eine ungeheure und auch unkontrollierte Anziehungskraft im fiktiven Raum spiegelt, die oftmals in einer manipulativen Spirale mündet, der man sich nur schwer entziehen kann. Mit fatalen Folgen.
N.N. Immer wieder gewähren Sie einen Blick ins Innere Ihrer Protagonisten durch eingeschobene Textpassagen. Warum in dieser Schonungslosigkeit?
M.S. Sowohl Florentina als auch Viktor sind intelligente und erfolgreiche Menschen und dennoch erschreckend bedürftig in ihrer Emotionalität. Mir war es wichtig, diese Bedürftigkeit nach Nähe, nach einem Gegenüber, die in allen sozialen Schichten der Gesellschaft herrscht, herauszuarbeiten und deutlich zu machen. Aufzuzeigen, welche Macht oder auch Ohnmacht sie besitzt und wie groß die Bereitschaft ist, sich in Abhängigkeit zu begeben, trotz besseren Wissens.
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